Ihr dürft das nicht wollen! Zur bevorstehenden Abstimmung zur Mandatsverlängerung der Bundeswehr in Afghanistan wendet sich Reiner Eckel in einem offenen Brief an die SPD-Bundestagsfraktion.
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Liebe Genossinnen, liebe Genossen,
nach allem, was ich im Beschluss des Parteivorstandes vom 11.1. lesen kann stelle ich fest: Ihr dürft das nicht wollen! Ihr müsst das nicht wollen!
„Wie weiter in Afghanistan? Bilanz und Perspektiven nach einem Jahr Strategiewechsel“ ist der Beschluss überschrieben und enthält zunächst als wichtigste Botschaft für mich: „Eine umfassende Evaluierung des Einsatzes unter Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise ist von der Bundesregierung für Mitte 2011 angekündigt.“
Da frage ich mich schon mal auf welcher Basis, wenn nicht auf der einer „umfassenden Evaluierung“, die Bundesregierung überhaupt über eine Mandatsverlängerung zu Ende Januar beraten kann.
Und ich frage mich, was eine sozialdemokratische Opposition treibt, Zustimmung zu signalisieren. Wo sie doch selbst im gleichen Papier feststellt „Eine unabhängige und umfassende Analyse der Erfolge und Misserfolge des Strategiewechsels steht damit noch aus.“ Des Strategiewechsels! Über Erfolg oder Misserfolg in einem Krieg wie dem in Afghanistan, über Erfolg oder Misserfolg des Einsatzes seit 2002 überhaupt will ich gar nicht nachdenken.
Das Internationale Rote Kreuz, oberflächlicher öffentlicher Verlautbarungen unverdächtig, hatte gegen Ende letzten Jahres der Weltgemeinschaft mitgeteilt, dass sich die Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung nicht verbessert, zum Teil sogar dramatisch verschlechtert hätten. Wie in allen Kriegen auf dieser Welt sind insbesondere Frauen und Kinder diejenigen, die womöglich über Generationen die Folgen tragen.
Afghanistan wird noch immer unendliches Leid der Zivilbevölkerung attestiert. Der Staatsapparat ist marode und von Korruption durchtränkt. Militärische wie zivile internationale Missionen haben zu nicht mehr geführt als „deutlich erhöhten Chancen“ und dennoch soll das Afghanistanmandat der Bundeswehr verlängert werden. Ich will das nicht. Ihr dürft das nicht wollen.
Für mich ist unerträglich zeitgleich in den Medien zu lesen, in militärischen Kreisen werde bereits über eine „Großoffensive“ noch in diesem Jahr in dem geschundenen Land gesprochen. Das bedeutet zu den bereits getöteten 45 deutschen Soldaten und den vielen zivilen Opfern werden weitere zu beklagen sein, ohne dass ein Ende des Leids absehbar ist.
Dies, Außenminister Westerwelles diffuse „Rückzugsformel- sofern die Lage es zulässt“ und von und zu Guttenbergs Beharrlichkeit, sich dem nicht anzuschließen sind Merkmale einer Afghanistanpolitik, die undurchsichtig und unkalkulierbar ist. Ich will das nicht. Ihr dürft das nicht wollen.
Und Ihr müsst das nicht wollen. Denn der Beschluss des Parteivorstandes enthält ausreichend viel Unverbindlichkeit.
Anders als in anderen Armeen entscheidet in Deutschland nicht das Militär sondern das Parlament. Ihr entscheidet.
Ich fordere euch auf, den Mut aufzubringen und Verantwortung zu übernehmen. Stimmt dem neuen Mandat nicht zu.